Unser KI-Projekt mit Alba - Ein Interview mit Sascha Meißner

Unser KI-Projekt mit Alba - Ein Interview mit Sascha Meißner

In einem gemeinsamen Projekt arbeiten betterHR und die ALBA Europe Holding an einem KI-gestützten Tool zur Automatisierung der E-Mail-Kommunikation im Kundenservice. Wir haben mit Sascha Meißner (Head of Digital Services) eine Zwischenbilanz gezogen. Mit welcher Zielstellung ist Alba an das Projekt gegangen? Wie bewertet er das Thema Künstliche Intelligenz mit Blick auf die Zukunft des Abfallmanagements? Und welche Learnings konnten aus der ersten Projektetappe mitgenommen werden?

Interview: Maria Gerono • 08.06.2021

betterHR: Wir entwickeln zusammen ein KI-gestütztes Tool, das die Mail-Kommunikation mit euren Kunden schrittweise automatisieren soll. Was versprecht ihr euch davon?

Sascha Meißner: Wir möchten die Kommunikation auf zwei Ebenen verbessern. Wir wollen effizienter werden und gleichzeitig die Qualität erhöhen. Uns war wichtig, dass wir mit der Lösung langfristig auch komplexere Aufgaben erledigen können.

Das Thema KI ist deswegen so spannend, weil es flexibler ist als andere Herangehensweisen. Kundenkommunikation ist komplex und dynamisch. Wir wollen perspektivisch eine Lösung einsetzen, die in verschiedene Kanäle integriert werden kann, von Mail bis Chatbot. Der Kunde soll den Kanal wählen, mit dem er sich am wohlsten fühlt und unsere Aufgabe ist es dann, damit umzugehen.

betterHR: Was wollt ihr ganz konkret erreichen?

Sascha Meißner: Ich sehe drei Möglichkeiten, wie wir mit dem Tool unsere Effizienz verbessern können. Erstens indem wir Anfragen, die uns erreichen direkt an die richtigen AnsprechpartnerInnen weiterleiten. Zweitens indem wir den bearbeitenden MitarbeiterInnen über das Tool zusätzliche Informationen zum/r Kunden/in oder Anliegen zur Verfügung stellen. In der dritten Ausbaustufe soll das Tool sogar automatisiert Handlungsempfehlungen geben.

"Wir denken die Entwicklung eines digitalen Tools in Ausbaustufen"

An einem konkreten Beispiel sieht das so aus: eine Mail mit einer Reklamation würde im ersten Schritt direkt an den Mitarbeiter weitergeleitet werden, der für diese Reklamation zuständig ist. In Stufe zwei würde die entsprechende Kundenhistorie beigefügt werden und der Mitarbeiter hätte alle relevanten Infos zu dem Fall auf einen Blick. Im letzten Schritt würde beispielsweise automatisch erkannt werden, dass der Grund für die ausgefallene Leerung bei uns liegt und ein konkretes Angebot für eine kostenfreie Nachentleerung formuliert. Das gibt uns die Möglichkeit, die Kunden viel proaktiver anzusprechen. Wenn er zum Beispiel häufig Zwischenleerungen benötigt, könnte das System eine Turnusänderung oder einen Wechsel zu einem größeren Behälter vorschlagen.

betterHR: Das heißt, ihr habt gleichzeitig eure eigenen MitarbeiterInnen im Sinn, die ihr von den immer gleichen Tätigkeiten befreien wollt und eure Kunden, denen ihr eine bessere Service-Qualität bieten wollt?

Sascha Meißner: Richtig. Und es ist ein Stück weit auch Notwendigkeit. Wenn man sich die Entwicklung am Arbeitsmarkt und das Thema Demografie anschaut, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir in Zukunft die gleiche Arbeit mit weniger MitarbeiterInnen erledigen können. Es wird zunehmend schwieriger, qualifizierte MitarbeiterInnen gerade für den Bereich Kundendienst und Kundenservice in unserer Branche zu gewinnen.

betterHR: Das heißt, so ein Thema wie KI trifft bei euch auf großen Zuspruch und es gibt wenige Ängste davor, dass eine KI Mitarbeiter:innen ersetzt?

Sascha Meißner: Doch natürlich gibt es solche Ängste und wir nehmen diese auch ernst. Wir möchten unsere KolegInnen daher von Anfang an auf die "Reise" mitnehmen. Es dauert ja auch eine ganze Zeit, bis eine solche Lösung soweit entwickelt und trainiert ist, dass sie voll einsatzfähig ist. In dem Zeitraum, über den wir hier reden, wird es eine Aufgabenverteilung geben. Es wird Mitarbeiter:innen geben, die weiterhin die gleichen Arbeiten machen. Gleichzeitig werden wir in den ersten Jahren Mitarbeiter:innen brauchen, die über entsprechende Fachkenntnisse verfügen, um bei der Entwicklung des KI gestützten Systems zu helfen. Dadurch müssen wir am Anfang wahrscheinlich mehr Arbeit „reinstecken“ als wir einsparen.

"Für die Entwicklungsarbeit ist es wichtig, die Kenntnisse und Erfahrungen langjähriger Kolleg:innen einfließen zu lassen“

Darüber hinaus gibt es, wie in jedem Unternehmen, eine natürliche Fluktuation, die wir nutzen werden, um Mitarbeiter:innen mit neuen und anderen Qualifikationen anzuwerben. Für die Entwicklungsarbeit ist es genauso wichtig, die Kenntnisse und Erfahrungen langjähriger KollegInnen einfließen zu lassen.

betterHR: Als ihr euch auf die Suche nach einem technischen Partner gemacht habt, was war euch da wichtig?

Sascha Meißner: Gerade bei diesem Projekt war es uns wichtig, dass wir einen Partner haben, der uns wirklich an die Hand nimmt. Um das Thema KI in einer gewachsenen Unternehmensstruktur zu etablieren, braucht man definitiv Unterstützung. Das Wort KI kennt natürlich jede/r, aber das Thema in die Praxis zu bringen ist schon anspruchsvoller. Umso wichtiger ist es, einen Partner zu haben, der unsere Vision in technische Machbarkeiten übersetzt, proaktiv Vorschläge macht und die richtigen Fragen stellt.

betterHR: Das führt uns direkt zu der Pilotphase. Wenn du auf die letzten Monate zurückschaust, was hast du da für Learnings mitgenommen? Hast du vielleicht auch überraschende Erfahrungen gemacht, mit denen du nicht gerechnet hast?

Sascha Meißner: Ja klar, gleich mehrere. Man lernt die Komplexität eines Themas erst richtig kennen, wenn es von der Theorie in Richtung Praxis geht. Mich hat überrascht, wie viele Vorarbeiten notwendig sind, bevor ein KI-Projekt anlaufen kann. Ganz spannend war auch, unsere eigenen Prozesse noch mal aus einer anderen Brille zu verstehen. Also mit dem Ziel, das, was menschlich stattfindet, in eine automatisierbare Struktur zu überführen. Das ist nämlich gar nicht so simpel.

"Die Entwicklung eines KI-Tools zwang uns, die eigenen Strukturen mit anderen Augen zu sehen“

Auch inhaltlich war es ganz spannend die Kundenkommunikation mal wirklich neutral zu analysieren. An der einen oder anderen Stelle war ich wirklich überrascht. So hat das KI-Modell Testmails, in denen „ein schönes Wochenende“ gewünscht wird nicht als Reklamationen erkannt, weil diese Formulierung in den realen Mails nicht vorkam. ;) Und natürlich - sorry jetzt wird’s trocken - das Thema Datenschutz. Das ist ein sehr dickes Brett.


betterHR: Wo siehst du die größten Herausforderungen, das Thema bei euch auszurollen und produktiv in eurem Betrieb reinzubringen?

Sascha Meißner: Ich glaube, es ist wichtig das Thema von Anfang an als Change Prozess zu verstehen. Wir wollen unseren MitarbeiterInnen vermitteln, dass wir uns zusammen für die nächste Generation fit machen. Das ist eine riesen Herausforderung. Da hilft nur Sensibilität, eine hohe Transparenz und viel Austausch, damit alle verstehen, was wir vorhaben. Der zweite wichtige Punkt betrifft das Thema strukturelle Vorarbeit. Dazu gehört auf unserer Seite die Erkenntnis, dass unsere bisherigen Arbeitsweisen und Prozesse gar nicht so ohne weiteres automatisierbar sind und dass wir dort anfangen müssen. Das geht los bei der technischen Infrastruktur, über die Tools, die wir nutzen, bis zu den Abläufen und Prozessen.


betterHR: Klingt nach viel Aufwand. Wie viel Arbeit hattet ihr mit dem Piloten?

Sascha Meißner: Bei der Entwicklung des Piloten hatten wir den entscheidenden Vorteil, dass wir ihn relativ selbstständig in unserem eigenen Bereich umsetzen konnten. Das heißt, die größte Herausforderung lag darin, das Thema Datenschutz abzuklären. Im Vorfeld mussten wir natürlich den richtigen Technologiepartner finden. Wir haben uns den Markt angesehen und Anbieter recherchiert. Als diese Analyse durch war und wir wussten, wir wollen mit euch zusammenarbeiten, hatten wir die schöne Situation, dass ihr euch darum gekümmert habt, dass der Pilot läuft. Sobald allerdings eine Integration in die Unternehmensprozesse und Infrastruktur passieren muss, wird das noch mal eine ganz andere Herausforderung.


betterHR: Was muss man konkret an Vorwissen mitbringen, um mit einem KI Thema im eigenen Unternehmen zu starten?

Sascha Meißner: KI ist kein Selbstzweck. Man sollte also wissen, welches Ziel man mit dem Einsatz verfolgt, sprich welches Problem damit gelöst wird. Mit Sicherheit hilft es, wenn man intern seine Strukturen kennt. Mit welchen Systemen wird im Unternehmen gearbeitet? Welche Abläufe und Prozesse werden aktuell im Unternehmen gelebt? Welche aktuellen Projekte gibt es, die davon profitieren oder die vorher notwendig sind, um etwas aufzubauen? Weiterführende technische Kenntnisse im Bereich KI haben wir tatsächlich überhaupt nicht mitgebracht, aber dafür haben wir ja euch.


betterHR: Wir bedanken uns für das Gespräch!

Das Interview führte Maria Gerono, Head of Product bei betterHR Mehr zu unseren Chatbots gibt es hier: www.betterhr.de/chatbot